Die Mär vom hinterherhinkenden Stromnetzausbau ist letztlich die Grundlage für das gestern vom Bundeskabinett abgesegnete EEG 2016. Begründet wird damit der abgebremste Ausbau der Erneuerbaren mit entsprechenden Korridoren, aktuell auch für Biogas, die sich Ausschreibungen stellen müssen. Doch die Zweifel an diese Theorie mehren sich.
Im Tagesspiegel sprach Boris Schucht, Chef des Netzbetreibers 50Hertz, genau über diesen Mythos. Seiner Meinung nach seien 70 % Erneuerbare Energien schon jetzt problemlos einzukoppeln. 2015 machten sie in seinem Netzgebiet einen Anteil von knapp unter 50 % aus, in diesem Jahre werde man leicht drüber liegen. Es ist also noch Luft nach oben.
Zu einem ähnlichen Schluss kam bereits 2013 der regierungsnahe Energie-ThinkTank Agora. In einer Studie, die zusammen mit dem Fraunhofer IWES erstellt wurde, heißt es:
Unter reinen Kostengesichtspunkten ist ein um wenige Jahre verzögerter Bau der Trassen des Bundesbedarfsplangesetzes nicht kritisch. Der weitere Ausbau der Erneuerbaren muss auf diese Trassen nicht warten. Während der Ausbau der Netze langfristig wichtig ist, ist ein verzögerter Netzausbau bei alleiniger Betrachtung der Kosten bis 2023 nicht kritisch.
Damit bestätigen die Wissenschaftler Schuchts Sichtweise, die jedoch bei der Regierung und auch bei den anderen Netzbetreibern nicht geteilt wird.
Zur Begründung hieß es schon damals, dass durch einen schnellen und vollständigen Netzausbau zwar fast fast der gesamte Windstrom integriert werden könne. Die Kosten im residualen Erzeugungssystem würden um 0,8 Milliarden Euro pro Jahr sinken. Erkauft würde diese Reduktion jedoch durch den Ausbau des Übertragungsnetzes mit etwa 0,7 Milliarden Euro pro Jahr. Alles in allem ein mageres Plus von 100 Millionen Euro an Einsparungen.
Als wesentlich effektiver sehen Fraunhofer und Agora im verteilten Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen. Ein eher an der „verbrauchsnahen Erzeugung“ orientierten Ausbau der Erneuerbaren führe bei einem verzögerten Netzausbau im Jahr 2023 sogar zu geringeren Gesamtkosten als bei einem schnellen und vollständigen Netzausbau.
Diese Idee hat die Bundesregierung ja aktuell aufgegriffen, in dem sie die Schwerpunkte Förderung für die Windkraft in zwei Zonen aufteilt. In Zone 1, die den Osten, Westen und Süden Deutschlands umfasst, soll das Gros der jährlich 2800 MW errichtet werden. In Zone 2, die Norddeutschland und große Teile Hessens umfasst, darf in den kommenden Jahren nur noch ungefähr ein Drittel weniger an Windkraftleistung aufgebaut werden als im Durchschnitt der vergangenen drei Jahre, so SPON.
In diese Gemengelage hinein fallen aktuelle Pläne der EU, Deutschland in zwei Stromzonen aufzuteilen (hier dazu ein Bericht von klimaretter.info). Im Norden müsste dann weniger bezahlt werden als im Süden. Begründung (keine Ironie): Verzug beim Netzausbau und zunehmende Stromexporten in die Nachbarländer Deutschlands (insbesondere durch den vielen Windstrom im Norden).
Dieser Überschussstrom sei „eine Quelle politischer Konflikte und behindert die Integration der west- und osteuropäischen Strommärkte”, so die Kommission. Allerdings würde die EU damit den Netzausbau, mag er überflüssig sein oder nicht, konterkarieren. Denn unterschiedliche Preiszonen sind aus einfachen betriebswirtschaftlichen Gründen den Investitionen abträglich.
Der Erfolg der Windkraft ruft auch Neider auf den Plan. Energieblogger-Kollege und Sonnenflüsterer Erhard Renz befasst sich hier mit der Frage, ob diese wie andere EE-Branchen auch, mit dem neuen EEG plattgemacht werden sollen.
Schade, dass es da so stockend vorrangeht und dem Bürger die Mehrkosten garnicht richtig bewusst sind. Ich persönlich würde ja auch eher das Prinzip der verbrauchsnahen Erzeugung favorisieren. Schließlich haben wir schon seit einigen Jahren eine Photovoltaik Anlage auf dem Dach, so wie übrigens mittlerweile fast jedes zweite Haus hier in Bayern.