Power-to-Heat funktioniert ähnlich wie ein Tauchsieder. Foto: Simon. A. Eugster/Wikimedia

Sektor­kopplung geht auch im Kleinen

von | 8. August 2016

Die Sektor­kopplung, also die Kompa­ti­bi­lität aller drei großen Ener­gie­be­reiche Mobilität, Wärme und Strom­erzeugung auf Grundlage Erneu­er­baren Stroms, geht nicht nur im volks­wirt­schaft­lichen Maßstab, sondern auch im kleinen.

Haus­be­sitzer landauf, landab kombi­nieren schon jetzt ihre Heizungen mit erneu­erbare Wärme, meist Solar­thermie oder Holz­pro­dukte wie Kaminholz oder Pellets. Doch auch Strom lässt sich in eine Heizung einkoppeln.

Das tech­nische Prinzip ist denkbar einfach. Der Warm­was­ser­speicher, über den alle fossilen Heizungs­typen mit Ausnahme der Durch­lauf­er­hitzer verfügen, nimmt über­schüs­sigen Ökostrom auf, der sonst abge­regelt werden müsste. Nennt sich Power-​to-​Heat und ähnelt technisch einem Tauch­sieder, der in den Warm­was­ser­speicher inte­griert wird.

Aller­dings ist dieser Tauch­sieder intel­ligent und erkennt, wann über­schüs­siger Strom im Netz zur Verfügung steht. Und das waren 2015 eine ganze Menge. Allein durch Gefah­ren­abwehr eines Blackouts, der durch schwan­kende Einspei­sungen von Erneu­er­baren Energien ins Stromnetz, aber nicht nur dadurch, entsteht, wurden schät­zungs­weise eine Milliarde Euro aufgewendet.

Zudem wurden Leis­tungen von rund 2,7 TWh, meist bei Wind­an­lagen, abge­schaltet werden, so die Bundes­netz­agentur. Die daraus resul­tie­renden Entschä­di­gungen dürften mehr als 300 Millionen Euro betragen. Endgültige Zahlen liegen noch nicht vor.

Das System also gleich drei Fliegen mit einer Klappe:

  1. Fossile Ener­gie­träger werden eingespart
  2. Über­schüs­siger Öko-​Strom wird abgeschöpft
  3. Die Netze bleiben stabiler

Bezahlt macht sich bisher aber nur der erste Punkt, der aller­dings auch finan­ziell gesehen am geringsten ausfällt. Denn kleinen Haus- und Heizungs­be­sitzern ist es nicht möglich, am Regel­en­er­gie­markt teil­zu­nehmen, sie profi­tieren also nicht von nied­rigsten, gar negativen Strom­preisen und von der Regelenergie-​Prämie. Denn die gilt erst für Verbraucher und Bezieher ab 5 MW Leistung.

Politisch gibt es derzeit keine Anstalten, dies zu ändern. Aller­dings könnten sich viele Haus­be­sitzer zu einem virtu­ellen Kraftwerk zusam­men­schließen und so die Regelmarkt-​Eintrittsbarriere über­sprungen. So etwas plant derzeit die ARGE Netz, die bereits jetzt schon 3.500 MW Leistung aus dezen­tralen, kleinen Erzeugern zu virtu­ellen Kraft­werken bündelt.

Eine weitere Möglichkeit ist die Einbindung eigens erzeugten PV-​Stroms in die Heizung. Dies lohnt sich mit Sicherheit dann, wenn die Förde­rungen nach EEG nicht mehr attraktiv sind oder bei Altanlagen auslaufen. Das dürfte in den kommenden fünf bis sechs Jahren massenhaft der Fall sein. Ein Praxistest in Berlin mit einer 6,4 kW (peak)-Anlage kann schon jetzt in den Sommer­mo­naten den kompletten Warm­was­ser­bedarf abdecken und – je nach Sonnen­ein­strahlung – im Winter 5 bis 10 % der Heizlast.

Und – das jedoch setzt die Flexi­bi­lität der Ener­gie­ver­sorger voraus – man könnte günstige Tarife wie früher den Nacht­spei­cher­strom nutzen. Dummer­weise wurden diese von den meisten Versorgern mangels Nachfrage in den letzten Jahren abge­schafft. Aber wo ein Markt ist, wird es auch passende Tarife geben.


Über die Poten­tiale der Sekto­ren­kopplung in Folge der Pariser Klima­kon­ferenz schreibt Energieblogger-​Kollege Olof E. Matthaei hier auf seinem Blog Energie effizient sparen.

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

2 Kommentare

  1. Ulrich Stiebel

    Hallo Herr Urbansky,
    vielen Dank für das Bild vom Tauch­sieder! Mein Vater war einer der Pioniere in der Entwicklung des alltags­taug­lichen Tauch­sieders. Demzu­folge hat das von ihm 1924 gegründete Unter­nehmen Stiebel Eltron sich in den ersten Jahr­zehnten seines Bestehens ausschließlich mit der Entwicklung von Wärme­er­zeugern unter Verwendung von Direkt­strom befasst. Als Alter­native stand ja nur der Kohleofen oder ‑herd zur Verfügung. Gas fand erst später flächen­de­ckende Verwendung.
    Seit über 40 Jahren sind wir jetzt markt­führend bei der Entwicklung und Vermarktung von Wärmepumpen.
    Auch wenn der Tauch­sieder als „Heizstab oder Heiz­körper” zur Nutzung von volatilem Strom eine Renais­sance erlebt, empfehlen wir heute die Wärme­pumpe als effi­zi­entere Tech­no­logie zur Wärme­er­zeugung. Aber wer weiß… viel­leicht haben wir eines nicht so fernen Tages sooo viel volatile EE zur Verfügung, daß auch der Tauch­sieder Wieder­auf­er­stehung feiert.
    Viele Grüße
    Ulrich Stiebel

    • Frank Urbansky

      Danke, Herr Stiebel, für den freund­lichen Kommentar. Sicher – die Wärme­pumpe ist deutlich effi­zi­enter als ein Tauch­sieder und sollte da, wo möglich, auch Mittel der Wahl sein.

EnWiPo
EnWiPo
„Wir ziehen immer häufiger Abwärme oder Abwasser in Betracht“

Wir ziehen immer häufiger Abwärme oder Abwasser in Betracht“

Seit diesem Jahr gilt das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung und Dekarbonisierung der Wärmenetze. Bis 2028 müssen alle Kommunen eine solche Planung vorlegen. Im Interview erklärt Jannik Hartfil, Fachgebietsleiter Kommunale Wärmeplanung bei dem Energienetzbetreiber EWE...

„Wir ziehen immer häufiger Abwärme oder Abwasser in Betracht“

Wir ziehen immer häufiger Abwärme oder Abwasser in Betracht“

Seit diesem Jahr gilt das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung und Dekarbonisierung der Wärmenetze. Bis 2028 müssen alle Kommunen eine solche Planung vorlegen. Im Interview erklärt Jannik Hartfil, Fachgebietsleiter Kommunale Wärmeplanung bei dem Energienetzbetreiber EWE...